Bildungsförderung 0-10

Am 15.01.10 hat die Landeselternschaft Grundschule folgende Stellungnahme herausgegeben:

Stellungnahme zum Diskussionsentwurf

„Empfehlungen zur Bildungsförderung für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertageseinrichtungen und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen“

Sehr geehrter Herr Fleischhauer,

sehr gerne nimmt die Landeselternschaft Grundschulen NW zum nun vorliegenden
Diskussionsentwurf der „ Empfehlungen zur Bildungsförderung“ Stellung.
Mit diesem Entwurf soll die seit 2003 bestehende Bildungsvereinbarung weiter entwickelt
werden.

Die Landeselternschaft Grundschule begrüßt diese Weiterentwicklung, insbesondere sieht
sie in der Einbeziehung der Kinder bis 10 Jahre – und damit der Grundschule – die Basis für
ein Hand-in-Hand-Arbeiten beider Institutionen.

Des öfteren wird in dem Diskussionsentwurf auf die unterschiedlichen rechtlichen
Grundlagen und der daraus vermeintlich folgenden Unmöglichkeit der Festlegung eines
gemeinsamen Bildungsauftrages hingewiesen. Das ist für uns unverständlich, da sowohl
das KiBiz als auch das Schulgesetz eine entsprechende Ausgestaltung gestatten.
Im Folgenden möchten wir einige uns wichtige Aspekte des Diskussionsentwurfes
herausgreifen:

10-jährige Kinder

Betrachtet man den Anspruch „Empfehlungen zur Bildungsförderung für Kinder von 0 bis
10 Jahren in Kindertageseinrichtungen und Schulen im Primarbereich“ abzugeben, so
wurde allerdings nicht gesehen, dass sich zukünftig – ab spätestens ab dem Jahr 2015 –
ein erheblicher Teil der Kinder mit 10 Jahren bereits in einer weiterführenden Schule
befindet. Dieser Aspekt und die Gestaltung dieses Überganges sowie die Einbeziehung der
weiterführenden Schule kommt in den vorliegenden Empfehlungen leider erheblich zu kurz.
Auch hier ist ein Hinführen, eine Abstimmung, aber auch eine Dokumentation erforderlich.
Das Schulgesetz fordert dazu ausdrücklich auf. Diese Aspekte sollten deutlicher
eingearbeitet werden.

Regeln

Im Abschnitt „Bildung gestalten“ wird in weiten Teilen vernachlässigt, dass Kinder von 0 bis
10 Jahren sehr klare Regeln benötigen, die auch eingefordert werden müssen. Zurecht
weisen Wissenschaftler (vgl. Vortrag von Dr. Michael Winterhoff im April 2009 im
Schulministerium) auf den besorgniserregenden Trend fehlender Regeln in Elternhäusern
aber auch in Kindertageseinrichtungen hin. Ohne diese Regeln, die eine psychische
Reifeentwicklung fördern, werden pädagogische Konzepte weder in den
Tageseinrichtungen noch in der Grundschule greifen. Diesem Aspekt muss sowohl in der
Ausbildung der Fachkräfte und Lehrer, als auch in der Arbeit der Einrichtungen und
Institutionen Rechnung getragen werden. Nicht zuletzt ist gerade hier eine enge
Zusammenarbeit mit den Eltern vonnöten.

Einbeziehung der Eltern

Kritisch anzumerken ist, dass der sehr häufig das Wort „kann“ bei der Zusammenarbeit mit
Eltern vorkommt. Dieses ist unbedingt durch ein „muss“ zu ersetzen. Zurecht wird im Text
darauf hingewiesen, dass nach dem Grundgesetz Art. 6, „die Pflege und Erziehung des
Kind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht ist“. Der
Gedanke, dass Eltern die Experten für ihre Kinder sind, wird zwar betont, die tägliche
Praxis in den Einrichtungen und in der Schule zeigt leider auf breiter Ebene ein Bild der
Nicht-Akzeptanz dieser Kompetenz der Eltern durch Fachkräfte und Lehrer.
Wenn Eltern sich in die Bildungs- und Erziehungsarbeit einbringen wollen, so ist das oft
nicht gewünscht. Hier ist Grundlagenarbeit in der Ausbildung aber auch bei den
Fachkräften und Lehrern bis hin zu den Leitungen der Einrichtungen und Schulen
erforderlich. Die Landeselternschaft hat bereits in Ihrer Stellungnahme zur Reform der
Lehrerausbildung auf diese Notwendigkeit hingewiesen.

Die nicht ernst gemeinte Partnerschaft mit den Eltern kommt auch durch die nach wie vor
fehlenden Mitbestimmungsmöglichkeiten im KiBiz zum Ausdruck. Hier sollten zumindest
von der rechtlichen Seite analoge Regelungen zum Schulgesetz umgesetzt werden.
Unbedingt sollten auch Aus- und Fortbildungen für Eltern in der Rolle als Erzieher ihres
Kindes und als Elternvertreter in die Empfehlungen aufgenommen werden. Hierzu gibt es
bislang in NRW nur marginale Angebote. Jedoch ist die notwendige Zusammenarbeit auf
Augenhöhe nur so sicherzustellen.

Strukturen

Die vorhandenen und geplanten Bildungsnetzwerke sind sehr zu begrüßen. Aber ebenso
wichtig ist ihre Dauerhaftigkeit. Es müssen entsprechende Ressourcen und vor allem
„Motoren“ in Form von hauptberuflich dafür Verantwortlichen für die ständige
Fortentwicklung zur Verfügung stehen.

Der Diskussionsentwurf setzt richtigerweise sehr auf eine intensive Vernetzung der
Beteiligten mit dem Fokus auf das Kind.
Für die Landeselternschaft Grundschule stellt sich allerdings die Frage, woher die dafür
erforderlichen Ressourcen kommen. Aus unserer Praxis müssen wir immer wieder
erfahren, das weder die Ressourcen für eine abgestimmte Zusammenarbeit zwischen
Grundschule und Tageseinrichtungen noch zwischen Grundschule und den
weiterführenden Schulen vorhanden sind.

Unschlüssige Aussagen

Die Landeselternschaft unterstützt den Ansatz der offenen Ganztagsschule. Aber die
Aussage, dass durch die offene Ganztagsschule „Kinder und Jugendliche bessere
Bildungsabschlüsse und damit auch Voraussetzungen für einen sozialen Aufstieg erwerben“ (S.10 des Diskussionsentwurfes) , ist für die Landeselternschaft nicht nachvollziehbar und bisher auch nicht durch eine Evaluation belegt.

Verwundert nimmt die Landeselternschaft auch zur Kenntnis, dass auf Seite 17 die
Potenziale des jahrgangsübergreifenden Unterrichts hervorgehoben werden. Leider hat die
Landesregierung durch die Änderung des Schulgesetzes im Jahr 2006 die Schulen hier
aus der Pflicht genommen. Die Folge war, dass nur noch wenige Schulen diese
zukunftsorientierte Form des Unterrichts nutzen.

Unverständlich ist uns ebenso, warum sich nur die „Zusammenarbeit mit den Eltern und die
Angebote von Kindertageseinrichtungen an den Bedürfnissen und der Lebenssituation der
Familien“ orientieren (S.74 des Diskussionsentwurfes). Ist diese Notwendigkeit für die
Grundschulen und auch für weiterführende Schulen nicht gegeben?

Fazit

Die Bedeutung der Eltern als Bildungsbeteiligte wurde in dem vorliegenden Entwurf leider
nicht ausreichend berücksichtigt, insbesondere die Notwendigkeit einer Mitbestimmung der
Bildungs- und Erziehungsarbeit in der Elementarstufe wird nicht dargestellt. Dies bedauert
die Landeselternschaft Grundschulen sehr und geht davon aus, dass dieser Aspekt im
Sinne des Grundgesetzes Art.6 nachgebessert wird.

Unter den bisherigen, realen Rahmenbedingungen halten wir eine Erprobungsphase für
wenig sinnvoll. Vor einer sich abzeichnenden weiteren Verknappung der Mittel in den
Kommunen sieht die Landeselternschaft wenig Spielraum für eine echte Erprobung.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Depenbrock
Stv. Vorsitzender