AO-GS

Entwurf der Verordnung zur Änderung der Verordnung über den Bildungsgang in der Grundschule

Sehr geehrte Frau Ministerin Sommer,

die Landeselternschaft Grundschulen nimmt wie folgt Stellung zu den vorgesehenen Änderungen der Ausbildungsordnung Grundschule:

Die Landeselternschaft hat in Ihrer Stellungnahme zum Schulgesetz die Aufhebung der Grundschuleinzugsbezirke grundsätzlich begrüßt. Erfolgreich kann dieser Weg aber nur sein, wenn gleiche Wettbewerbschancen der Schulen sichergestellt werden. Dazu gehören u. a. die Dokumentation einer langjährigen, erfolgreichen und auch nach außen anerkannten Arbeit der Schule. Dies setzt neben einer Stärkung der Ressourcen auch eine dauerhafte Unterstützung dieser Schulen voraus.

Die im Entwurf genannten Kriterien im Falle einer notwendigen Auswahlentscheidung bei Anmeldeüberhang haben sich im Bereich der weiterführenden Schulen bewährt und werden von der Landeselternschaft ausdrücklich begrüßt.

Wie bereits in unserer Stellungnahme zum Schulgesetz bemerkt, begrüßt die Landeselternschaft die Absicht der Landesregierung, der individuellen Förderung einen höheren Stellenwert zu geben. Leider lässt auch der vorgelegte Entwurf zur Änderung der Ausbildungsordnung Grundschule die dazu erforderlichen Präzisierungen vermissen.

Die wesentlichen Fragen bleiben nach wie vor offen: Mit allumfassenden Kann-Bestimmungen (vgl. §4, Abs.1) und ohne jegliche erkennbare Finanzierungsgrundlage kann der Anspruch an eine echte „individuelle Förderung“ aus unserer Richt nicht ansatzweise erfüllt werden. Bei dem Finanzeinsatz für Grundschüler liegt NRW nicht nur deutschlandweit sondern auch im Vergleich der PISA-Länder auf dem letzten Platz. Die unbedingt notwendige individuelle Förderung ist aber nicht zum Nulltarif erhältlich. Es ist für die Landeselternschaft Grundschulen nicht ersichtlich, wie unter diesen Voraussetzungen eine Verbesserung der Förderung möglich ist.

Mit der Einführung von Noten im Versetzungszeugnis zur Klasse 3 und dem Wegfall der möglichen Notenfreiheit in Klasse 3 werden bewährte, aussagekräftige Leistungsbeschreibungen auf Kosten einer Scheinobjektivität reduziert bzw. ersetzt. In diesem Zusammenhang sei auf die durch die Landesregierung im Jahr 2000 in Auftrag gegebene PISA–Ergänzungsstudie hingewiesen, die z.B. für eine gemessene identische Mathematik- oder Leseleistung an den NRW-Gymnasien Notenunterschiede gezeigt hat, die von „sehr gut“bis „ungenügend“ reichten.

Zu den vorgesehenen Änderungen der Ausbildungsordnung: Zu §1 (Einzugsbereiche):

Absatz 2:

Der Begriff „nächstgelegene Grundschule“ ist ungenau und erfordert eine Spezifizierung.

  • Ist die kürzeste Entfernung gemeint?
  • Bezogen auf die Luftlinie oder den Fußweg?
  • Wer ermittelt diese Angaben?

Eine Orientierung an der Schülerfahrkostenverordnung wäre hier denkbar.

Absatz 3:

Wie bereits erwähnt, begrüßt die Landeselternschaft die Kriterien zur Aufnahmeentscheidung bei Anmeldeüberhängen. Allerdings muss ersichtlich sein, wie die Nachprüfbarkeit und Transparenz bei der Anwendung der Kriterien erzielt wird. Hier fehlt eine entsprechende Regelung.

In unserer Stellungnahme zum Schulgesetz haben wir bereits darauf hingewiesen, dass Maßnahmen z.B. in Form rechtzeitiger Informationsveranstaltungen erforderlich sind, die Eltern in die Lage versetzen, eine überlegte, fundierte und ausgewogene Schulwahlentscheidung zu treffen. Dies könnte bereits im Rahmen der vorgeschriebenen Informationsveranstaltungen für Eltern 4-jähriger Kinder erstmalig erfolgen.

Zu §4 (Lernstudios, schulisches Förderkonzept):

Absatz 1:

Das schulische Förderkonzept (Lernstudio) muss Teil des Schulprogramms sein. Es sollte in der AO-GS verdeutlicht werden, dass das Konzept damit eines Beschlusses der Schulkonferenz bedarf.

Wie bereits in den einleitenden Bemerkungen aufgezeigt, muss allen Beteiligten klar sein, dass eine wirkliche individuelle Förderung nur mit zusätzlichem Mitteleinsatz möglich ist.Hier fordert die Landeselternschaft Aussagen des Ministeriums zum beabsichtigten Ressourceneinsatz und der Herkunft dieser Ressourcen.

Absatz 2:

Es ist positiv zu bewerten, dass, sofern die Förderung im Lernstudio an die Stelle des Unterrichtes nach der Stundentafel tritt, das vorheriger Einverständnis der Eltern erforderlich ist. Voraussetzung muss allerdings sein, dass Eltern frühzeitig über die Konsequenzen ihrer Entscheidung informiert werden. Erst später sollten sie die eigentliche Entscheidung treffen müssen. Im Zusammenhang mit den Absätzen 1 und 2 bleiben für die Landeselternschaft eine Reihe von Fragen unbeantwortet:

  • Was darf die Einrichtung des Lernstudios kosten?
  • Wo sollen Lernstudios eingerichtet werden?
  • Welche Kriterien werden dafür herangezogen?
  • Mit welchem Personal sollen diese eingerichtet werden?
  • Welchen Personalschlüssel gibt es?
  • Welche Kinder erhalten die Förderung?
  • Wie lange erhalten sie diese?
  • Wie können die Kinder den eigentlichen Unterrichtsstoff nacharbeiten, der ja parallel gegeben wird?
  • Können Kinder mit Lernschwierigkeiten dieses überhaupt leisten?
  • Bezieht sich die Förderung nur auf die Kernfächer oder auch auf Motorik und andere Defizite?

Zum neuen §5 (Leistungsbewertung):

Absatz 1:

Die Einführung von schriftlichen Arbeiten im Fach Englisch in Klasse 3 und 4 erfordert eine komplette Überarbeitung der Konzeption des Englischunterrichtes. Bislang stand im Englischunterricht aus pädagogischen Gründen der mündliche Sprachgebrauch im Vordergrund. Auch aus der Erläuterung zur AO-GS sind leider keine Gründe für diesen Paradigmenwechsel zu finden. Die Landeselternschaft ist sehr an der pädagogischen Begründung interessiert.

Absatz 3:

Die Abschaffung der Entscheidungsmöglichkeit der Schulkonferenz zur Notengebung in der Klasse 3 folgt der Linie des Schulgesetzes zur Einschränkung der Rechte der an Schule Beteiligten. Es ist der Landeselternschaft unverständlich, wie gleichzeitig die Eigenverantwortlichkeit der Schulen nach § 25 Schulgesetz gestärkt werden soll, aber gerade pädagogische Entscheidungsmöglichkeiten genommen werden.

Zum neuen §6 (Zeugnisse):

Absatz 2:

Einleitend sei darauf hingewiesen, dass Aussagen zum Arbeits- und Sozialverhalten seit langem ein wichtiger und selbstverständlicher Bestandteil der Zeugnisse der Grundschule sind.

Absatz 2, Satz 2 bestimmt die Vergabe je einer Note für das Arbeits- und Sozialverhalten. Das ist aus Sicht der Landeselternschaft nicht gesetzeskonform. §49 Abs. 2 Nr. 2 des Entwurfes zum Schulgesetz verlangt „Aussagen zum Arbeits- und Sozialverhalten“, denen die Notenstufen „sehr gut“, „gut“, „befriedigend“ und „unbefriedigend“ zugrunde gelegt werden“.

Es sind hier also explizit Aussagen gefordert und keine einzelnen Noten. Offensichtlich beabsichtigt der Gesetzgeber hier die Einführung von an Notenstufen orientierten Textelementen. Dies ist aus Sicht einer besseren Verständlichkeit und Transparenz auch zu befürworten. Einzelne Noten, wie im vorliegenden Entwurf zur AO-GS vorgesehen, sind offensichtlich nicht zur Beschreibung individuellen Verhaltens geeignet.

Zum neuen §7 (Versetzung):

Absatz 2:

„Die Grundschule hat ihren Unterricht so zu gestalten, dass die Versetzung der Regelfall ist. …“ Diese Aussage ist eine Selbstverständlichkeit in einem Schulsystem. Allerdings fehlt hier eine genaue Definition des Begriffs „Regelfall“. Wann ist eine Abweichung vom Regelfall gegeben? Die AO-GS muss hier genaue Maßstäbe setzen.

Die Pflicht der Schule, bei erkannten Lern- und Leistungsdefiziten unter Einbeziehung der Eltern aktiv zu werden, muss deutlicher werden. Bei der gewählten Formulierung ist zu befürchten, dass Schulen bei Maßnahmen zur Förderung – wie schon bisher bei den Lern- und Förderempfehlungen – einzig auf Aktivitäten der Eltern setzen.

Zum neuen § 8: (Übergang)

Absätze 3ff:

Die Landeselternschaft lehnt die geänderten Regelungen zum Übergang nach wie vor entschieden ab. Auch die Möglichkeit der Grundschule eine zweite Schulform mit Einschränkungen zu empfehlen, heilt nicht die absehbaren, eklatanten Fehlentscheidungen. Die Landeselternschaft hat die Gründe gegen eine letztlich durch die Grundschule bestimmte Entscheidung ausführlich in ihrer Stellungnahme zum Schulgesetz begründet.

Im Falle des vorgesehenen Prognoseunterrichtes entsteht bereits lange vorher in der Familie und dann auch während des Unterrichts unvermeidbar ein sehr hoher Druck auf 9jährige Kinder. Das Ergebnis wird daher eher zufällig sein. Diese Situation kann im Sinne unserer Kinder auf keinen Fall akzeptiert werden.

Dass nun auch noch weitere Kinder im Falle des Absatzes 9 dieser Situation ausgesetzt werden sollen, zeigt die völlige Fehleinschätzung der Landesregierung hinsichtlich der Abhängigkeiten des Schulerfolgs in der Sekundarstufe I. Besonders das stark selektive Schulsystem erfordert die intensive Unterstützung des Kindes durch das Elternhaus, da unser Schulsystem diese nicht leistet. Gerade die Eltern, die ihr Kind nicht am Gymnasium oder an der Realschule trotz entsprechender Empfehlung anmelden wollen, sind oft nicht bereit oder in der Lage ihre Kinder im erforderlichen Umfang zu unterstützen.

Bezüglich der Durchführung des Prognoseunterrichtes bleiben durch den vorliegenden Entwurf viele Fragen unbeantwortet:

  • Wie soll dieser Unterricht aussehen?
  • Welche Inhalte werden vermittelt?
  • Was wird abgefragt?
  • Welche besonderen Qualifikationen müssen die Lehrkräfte haben?
  • Welche Bedingungen müssen die zu prüfenden Kinder für welche Schulform erfüllen?
  • Wie wird sichergestellt, dass durch den Einsatz der Lehrkräfte an ihrer eigenen Schule kein Unterricht ausfällt?

Die Prüfungskommission soll aus einer Person der Schulaufsicht, einer Lehrkraft der Grundschule und einer Lehrkraft der weiterführenden Schulen bestehen. Wie wird sichergestellt, dass durch eine Lehrkraft einer weiterführenden Schule nicht die spezifischen Interessen der von ihr vertretenen Schulform auf die Entscheidung Einfluss haben?

Daneben ist zu befürchten, dass Anmeldeüberhänge oder freie Kapazitäten weiterführen der Schulen einzelne Entscheidungen beeinflussen.
Analog §44 Abs. 3 Schulgesetz muss auch die Möglichkeit bestehen, dass Eltern oder ein Vertreter der Eltern als Beobachter an dem Probeunterricht teilnehmen. Hier sind entsprechende Regelungen in der AO-GS zu schaffen.

Zur Stundentafel:

Grundsätzlich begrüßt die Landeselternschaft die frühere Einführung einer ersten Fremdsprache. Leider finden sich weder in der Begründung zur AO-GS noch im Verordnungsentwurf selbst Hinweise, inwieweit die körperliche Leistungsfähigkeit gerade 6-jähriger Kinder bei der Erhöhung der Wochenstundenzahl betrachtet wurde.
Wie schon zu §5 beschrieben, ist eine völlige Neukonzeption des Englischunterrichtes in der Grundschule erforderlich. Diese muss altersgerecht und anschlussbezogen sein.
Zurzeit ist nicht erkennbar, dass die Schulen der Sekundarstufe I auf den vorhandenen Englischkenntnissen der Klasse 4 aufbauen. Offensichtlich findet auch hier kein Austausch zwischen Lehrkräften der Primar- und Sekundarstufe statt.
Die Landeselternschaft möchte mit dieser Stellungnahme einen Beitrag zu einer am Wohl unserer Kinder ausgerichteten Ausbildungsordnung Grundschule leisten.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Depenbrock
Vorsitzender